Kleine Kirchengeschichte

Die Kirchengeschichte Fintels ist spannend. Sie reicht zurück bis ins frühe Mittelalter und ist eng verbunden mit dem heiligen Antonius. Bevor wie also von Fintel erzählen, müssen wir erst von Antonius berichten... 

Wer war der heilige Antonius?

Vermutlich im Jahr 251 nach Christi Geburt wurde in Ägypten ein Junge geboren. Als er etwa zwanzig Jahre alt war, starben seine Eltern, die wohlhabende Bauern gewesen sein sollen. Der junge Mann hörte in der Kirche die Geschichte von dem reichen Jüngling, zu dem Jesus sagte: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“ (Mt 19,21).

Der junge Mann, den wir heute als den "heiligen Antonius" kennen,  verschenkte daraufhin alles, was er hatte und zog er sich in die Einsamkeit zurück, zuerst in eine Hütte in der Nähe seines Dorfes, später in ein verlassenes Kastell am östlichen Nilufer und schließlich hinein in die arabische Wüste, wo er dann im Jahr 356 nach einem langen asketischen Leben starb. 

In der "Vita Antonii" des Bischofs von Alexandria, Athanasius, wird viel über Antonius Leben berichtet. Während seines langen Wüstenaufenthalts soll er immer wieder von quälenden Visionen heimgesucht worden sein. Er sah den Teufel und widerstand ihm, so wird es weitergegeben. Bald wurde Antonius deswegen als Mann Gottes verehrt. Zahlreiche Verehrer, die ihn in der Wüste in seiner Einsiedelei aufsuchten, beeindruckte er durch Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen. Nicht wenige wollten es ihm gleich tun. So wurde Antonius zu einem der Begründer des christlichen Mönchtums. Und selbst bis in den hohen Norden drang sein Ruhm...

Antoniter-Mönche in Vintlo

Wie die Geschichten um den heiligen Antonius nach Vintlo kamen, wie man Fintel früher nannte,  wissen wir nicht. Vielleicht begann bereits um das Jahr 600 ein irischer Missionar, der die Heide durchwandert hatte, hier als Eremit zu leben. Vielleicht gründete einer der angelsächsischen Missionare, die im 8. und 9. Jahrhundert durchs Land zogen, in Vintlo die erste Antonius-Zelle. Belegbar ist beides nicht. Legenden berichten aber von einem Fintler Eremiten im frühen Mittelalter, einer ersten kleine Antonius-Kapelle und einer Gruppe von Fintler Antonius-Brüdern, also Mönchen, die dem im 11. Jahrhundert in Frankreich gegründeten Antoniterorden angehörten. Vor allem in der Kranken- und Armenpflege haben sie sich engagiert. 

Dazu passt, was recht sicher belegt ist: Nämlich dass Vintlo im Mittelalter ein recht beliebter Wallfahrtsort für Menschen aus nah und fern war. Anteil daran hatte eine sprudelnde Quelle, der man ein Heilkräfte zuschrieb und an der ein Antonius-Bild gestanden haben soll. Pilger, die wieder gesund geworden waren, hängten beim "Feldtor" am Ausgang des Dorfes an den Zweigen einer Eiche ihre überflüssig gewordenen Krücken auf.

Dass Hans Sebald Beham 1526 hier einen Antoniter dargestellte, kann man leicht erkennen: Zum einen am "Tau-Kreuz" auf der Brust, das den heiligen Antonius kennzeichnet. Zum anderen am „Antoniusschwein“. Der Antoniter hatten im Mittelalter das Recht, ihre Schweine - behängt mit einem Glöckchen - zur Mast frei im Dorf herumlaufen zu lassen.

Die Antonius-Kapelle von 1426

Im Jahr 1426 kam es zum ersten urkundlich erwähnten Bau einer (neuen) Antonius-Kapelle in Fintel. Bauherr war entweder das Grünberger Antoniterhaus, dem die Fintler Antonius-Bruderschaft untergeordnet war, oder der Bischof von Verden, zu dssen Bereich das "Archidiakonat Scheeßel" mit dem Dörfchen Fintel damals gehörte. Zwischen Bischof und Antoniterorden gab es um die Einkünfte der Kapelle wohl einigen Streit, der jedoch Mitte des 15. Jahrhunderts gütlich beigelegt werden konnte...

Die weitere Entwicklung der Anlage liegt dennoch im Halbdunkel. Angedacht war offenbar, auch noch ein Antoniter-Haus zu bauen und Fintel damit eine besondere Rolle im Antoniter-Orden zu verleihen. Tatsächlich wurde aus all dem jedoch nichts. Als im 16. Jahrhundert die Antoniter an Einfluss verloren, endeten auch ihre Beziehungen nach Fintel.

Ihre Kapelle fiel vermutlich dem Dreißigjähren Krieg zum Opfer. Das "wundertätige" Antoniusbild, das nahe der Quelle gestanden hatte, versuchten Anhänger der Reformation angeblich mehrmals erfolglos wegzuschaffen oder in einer Kuhle der "Deepenwiese" zu versenken. Schließlich soll im Zuge des Bildersturms öffentlich auf dem Amtshof in Rotenburg verbrannt worden sein. Die Fintler dürfen damals nicht gerade begeistert von der Reformation gewesen sein... Erhalten blieben Gott sei Dank aber die mittelalterlichen Altar-Tafeln und Figuren, die unsere Kirche bis heute schmücken.

Strohdachkirche

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) lag Deutschland in Trümmern und die Fintler waren ohne Kirche und ohne Antoniter. Da machten sie etwas Erstaunliches, über das ein alte Querriegel berichtet, der noch heute in unserem Turm über der Kircheneingangstür hängt:

ANO 1649 HABEN DE GU DEN ERBAREN IN VANER TO FINTEL DESE KERK VNDE HVS GODT VEDER GE BVET. GOT VOL ES MIT SINN SEGEN BE LON VNT BEHVTN VOR VN GE. 1649 13. IVLIOS

Übersetzt: Im Jahre 1649 haben die guten, ehrbaren Einwohner zu Fintel diese Kirche und Gotteshaus wiedergebaut. Gott wolle es mit seinem Segen belohnen und behüten vor Unge(witter). 1649, 13. Juli

In die Kirche, die etwa am heutigen Soldatengedenkmal stand, wurden die Kunstschätze aus der Vorgängerkapelle wieder aufgestellt: Über der Eingangstür stand die geschnitzte weibliche Figur, im Inneren hingen - damals noch nicht wie heute in einem Altar verbunden  - die Aposteltafel und das "Jüngste Gericht", die heutige Altar-Mitteltafel.

Obwohl die Kirche damit eine ansehnliche Ausstattung besaß, blieb der ansonsten eher arme Ort Fintel jedoch für lange Zeit jedoch kein Pfarrort. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte Fintel zur Kirchengemeinde Schneverdingen, während Vahlde weiterhin und bis nach dem Ersten Weltkrieg Scheeßel verbunden war. Beide Muttergemeinden waren im 16. Jahhrundert evangelisch-lutherisch geworden.

Für die Finteler bedeutete diese Abhängigkeit konkret, dass der Schneverdinger Pastor neben den Trauerfeiern nur viermal im Jahr in der Fintler Strohdachkirche Gottesdienst hielt, nämlich Matthei, Maitag, Bartholomäi und Andrei. Die Dorfschaften Haxloh und Fintel hatten Küster und Pfarrer  "hin und her zu liefern" und nach dem Gottesdienstdienst zu "speisen". Kein Wunder, nicht zuletzt angesichts des langen Fußweges zur Schneverdinger Kirche, dass die Fintler gern einen "eigenen Pastor" haben wollten!

Ein erster Antrag wurde 1828 an das zuständige Konsistorium in Stade gestellt - und abgelehnt, vor allem, weil die Schneverdinger ihre Zustimmung verweigerten. Doch die Fintler blieben hartnäckig. Sie argumentierten mit der überfüllten Kirche in Schneverdingen, ihrem "religösen Bedürfnis" und auch einer "überhandnehmenden Immoralität" in Form von "Völlerei in Branntwein, Unsittlichkeit und Irreligiosität", der man entgegentreten müsse.

Viele Fintler spendeten Land und Geld, um die Pfarrei zu finanzieren. Man sprach wiederholt vor. Und erreichte so tatsächlich im Jahr 1848 per Ministerentscheid die Einrichtung einer Pfarrstelle in Fintel. 1855 wurde Fintel so schließlich offiziell von Schneverdingen selbständig.

Der Titel dieser Dokumentation spricht Bände von der Einsatzbereitschaft der Fintel für ihre Kirche

Bau der St. Antonius-Kirche

Sobald Fintel Pfarrort geworden war, wurde von 1851 bis 1853 ein erstes Pfarrhaus gebaut. Der Pfarrer wurde mit Ländereien, Naturalienlieferungen und - jährlich zu Michaelis - auch mit Geld versorgt. 1879 wurde der neue Friedhof auf dem Westerfeld eingeweiht.

Große Sorge bereitete jedoch die alte Strohdachkirche, die zu klein und baufällig war. Der Glockenstuhl wurde so wackelig, dass schließlich das Läuten eigestellt wurde! Ab 1856 gab jeder Hof deshalb zwei Taler im Jahr für einen Kirchenneubau. Dazu wandten sich die Fintler abermals nach Stade, dieses Mal mit der Bitte, durch das Land ziehen zu dürfen, um Geld für einen Fintler Kirchenbau zu sammeln. 

Auch dieses Mal dauerte es einige Jahre, doch wieder gelang das Erhoffte. Die Sammlung wurde gewährt. Nach der Ernte 1880 zogen einige Fintler Männer, die im Winter auf den Höfen abkömmlicher waren, auf vorab ausgearbeiteten Reiserouten los und sammelten in der kalten Jahreszeit 1880/81 die stattliche Summe von 21.175 Mark für den Neubau. Das Ministerium für Kirchen- und Schulwesen aus Berlin gab weitere 10.000 Mark dazu und so läpperte sich das Baugeld langsam zusammen.

Nach einem Entwurf des Hannoverschen Kirchen-Baurates Hase konnte in den Jahren 1882 bis 1884 die St. Antonius-Kirche gebaut werden. Der Bochumer Verein lieferte 1884 zwei Gußstahlglocken (von denen die große Glocke heute auf dem Vahlder Friedhof hängt). Die Firme Beyes aus Hildesheim baute im selben Jahr das bis zum heutigen Tag schlagende Uhrwerk ein. Die Kanzel, die Querbalken des Dachgewölbes im Kirchenschiff und die ersten Holzbänke fertigte der Fintler Tischlermeister Heinrich Heinecker.

Dazu wurde einiges Inventar aus der alten Strohdachkirche übernommen: Fürs Erste, bis zum ersten Orgelnneubau 1910, wurde die alte Orgel eingebaut. Die kleine alte Schlagglocke aus dem hölzernen Glockenturm der Strohdachkirche wurde zu den beiden neuen Glocken gehängt. Auch das alte schmiedeeisene Tor wurde hinübergenommen und natürlich das mittelalterliche Bildwerk herübergetragen. 1884 schließlich wurde die Strohdachkirche abgerissen.  Am 1. Advent, dem 30. November 1884, fand der erste Gottesdienst dann in der neuen St. Antonius-Kirche statt.

Schlaglichter auf die neuere Baugeschichte

Gott sei Dank bleib unsere St. Antonius-Kirche im Zweiten Weltkrieg verschont. Und auch weitere kleinere und größere Katastrophen hat unsere Kirche gut überstanden, einen großen Sturmschaden 1940 etwa und nicht zuletzt den Schwelbrand in der Nacht des Heiligabends des Jahres 1970. Die Fintler geben halt gut auf ihre Kirche acht!

Notwendig wurde durch die Rauchschäden 1970 allerdings die Aufarbeitung des Altars. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das Bildnis "Das jüngste Gericht" als Hauptbild in der Altar eingefügt. 

Große Veränderungen gab es im Laufe der Zeit auch um die Orgel. Auf die alte Orgel aus der Strohdachkirche folgten in den Jahren 1910 und 1950 zwei neue Instrumente, die jedoch qualitativ nicht überzeugten. Unsere im Jahr 2001 neue eingebaute Orgel des Orgelbaumeisters Kristian Wegscheider aus Dresden passt dagegen klanglich und optisch perfekt in unsere St. Antonius-Kirche!

... und die Geschichte der ganzen Kirchengemeinde

Nicht zuletzt veränderte sich in den vielen Jahren, in denen christliches Leben in Fintel spielt, auch die ganze Fintler Kirchengemeinde. Eine der größte Veränderung datiert dabei sicher auf das Jahr 1936. Denn erst seit diesem Jahr gehören Benekeloh und Vahlde nicht mehr zur Kirchengemeinde Scheeßel, sondern zu Fintel!

Groß waren die Veränderungen auch in der Frömmigkeit. Wer hätte gedacht, dass der ehemalige Antonius-Wallfahrtsort sich so von dem evangelischen "Erwecker der Heide", Ludwig Harms, anstecken lassen würde? Aber so kam es. Vor allem in der Zwischenkriegszeit entstanden enge Beziehungen von Fintlern zur Hermannsburger Missionsbewegung. Hauskreise und der Kirchen- und Posaunenchor entstanden. Die ersten Missionsfeste, die bis heute im alle zwei Jahre ausgerichteten "Ländertag" weiterleben, wurden gefeiert.  Evangelisationwochen wurden durchgeführt. Die Landeskirchliche Gemeinschaft Fintel entstand. 1929 folgte die Gründung des Fintler "Jugendbundes für entschiedenes Christentum", der bis heute als EC, also als Jugendverband "Entschieden für Christus", unsere Kinder- und Jugendarbeit prägt.

Alte Sitten

Aus der Geschichte unserer Kirchengemeinde sind einige merkwürdige Sitten überliefert. Interessant ist vielleicht, dass bis vor wenigen Jahrzehnten die Hebamme die Täuflinge zur Taufe trug. Die "Kindmutter" verließ traditionell das Haus zunächst nicht. Erst nach sechs Wochen "hielt sie Kirchgang" und wurde im Gottesdienst dabei wiederbegrüßt. Und auch der Vater erschien zur Taufe nicht! Neu angekommene Pastoren, die den jungen Eltern im Gottesdienst den Segen zusprechen wollten, sollen angeblich recht irritiert gewesen sein... Nicht lustig war dagegen der (längst nicht nur in Fintel, sondern weitverbreitete) Brauch, Trauungen nur "ohne Kranz und Schleier" durchzuführen, wenn die Ehefrau offensichtlich keine Jungfrau mehr war... Immerhin 1951 beschloss der Kirchenvorstand die Aufhebung dieser Regel.